Göttingen. Einsamkeit, Schulstress oder Suizid‐Gedanken – Wenn man nicht mehr weiterweiß und niemanden zum Reden hat, dann ist sie für die Menschen da: Die TelefonSeelsorge. Sie ist für Anrufende kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Um das zu gewährleisten, ist sie auf ehrenamtliche Mitarbeitende angewiesen. Eine davon ist Frau G. aus dem Landkreis Göttingen.
Anonymität wird bei der TelefonSeelsorge großgeschrieben. Nicht nur die Anrufenden, auch die Seelsorgenden bleiben anonym. Frau G. ist seit zweieinhalb Jahren Ehrenamtliche bei der TelefonSeelsorge Göttingen. Die Einrichtung in Trägerschaft des Ev.‐luth. Kirchenkreises Göttingen‐Münden ist rund um die Uhr für die Hilfesuchenden da. Was fast alle Anrufenden gemeinsam haben: Sie haben niemanden, dem sie von ihren Problemen erzählen können.
Neben Einsamkeit, leiden die Anrufenden immer häufiger an Depressionen. Zudem werden Ängste, Erschöpfung, Stress, aber auch Suizidabsichten, offen oder verdeckt, genannt. Wobei dies weitaus weniger oft vorkomme, als man denken würde, so Frau G. Wie sie sich gefühlt hat, als ihr eine anrufende Person Suizidgedanken mitgeteilt hat, dazu die Telefonseelsorgerin: „Ich einen Anruf gehabt, wo ich spontan dachte: ´Oh mein Gott, ich weiß gar nichts mehr´ und mich kurz hilflos gefühlt habe. Doch dann fühlt man sich ein, hört zu und geht mit. Es war dann am Ende ein sehr, sehr gutes Gespräch, sehr lang dauernd. Ich bin mir sicher, derjenige hat sich an dem Tag zumindest nichts angetan. Trotz des positiven Ausgangs, kann man von solchen Anrufen nicht allzu viele in einer Schicht machen, weil das schon auf die Substanz geht. Aber toi toi toi, bisher kam ich gut zurecht mit allem dann. Auch mit Aufarbeitung später.“
Einsamkeit ist auf alle Fälle das absolute Hauptthema oder auch Hauptproblem. Wir führen am Ende jedes Gesprächs anonym für die Statistik etwas aus und es ist fast jedes Gespräch, wo man Einsamkeit aufschreibt. Die Menschen rufen an,
weil sie eben keinen anderen haben
In Supervisionen werde im Nachgang über Themen, die einen belasten, gesprochen, so Frau G. Wenn man sich direkt nach dem Anruf mit jemandem austauschen möchte, ist Tag und Nacht eine hauptamtliche Telefonseelsorgerin für die Ehrenamtlichen da. Aber auch in der Ausbildung werde man sehr gut auf solche Situationen vorbereitet, so Frau G.
Die TelefonSeelsorge Göttingen bildet regelmäßig Menschen für die ehrenamtliche Arbeit am Telefon aus. Die neue Ausbildungsgruppe startet voraussichtlich am 20. August und bietet zehn bis zwölf Plätze an. Interessierte können sich vorab per Telefon informieren. Die Ausbildung findet einmal wöchentlich, immer mittwochs, für zwei Stunden (außer in den Schulferien) statt. Zusätzlich werden an vier Blockseminaren weitere Inhalte vermittelt. Der Kurs umfasst theoretische Einheiten zu Gesprächsführungs‐ oder Kommunikationstechniken sowie praktische Übungen. Frau G. hat die Ausbildung 2022 absolviert. „Die Ausbildung finde ich sehr gründlich und vielseitig. Es gehören natürlich viele Rollenspiele dazu, da zucken einige dann erstmal zusammen. Aber gerade diese Rollenspiele sind enorm wichtig, um sich so ein bisschen schon mal in die Situation reinzuversetzen, wie es dann am Telefon ist. Das wird wunderbar gehandhabt von den Hauptamtlichen. Es ist auch viel Selbsterfahrung dabei, viel Gegenseitiges aufeinander eingehen. Also ich fand es eine sehr qualifizierte, wichtige, gründliche Ausbildung, von der auch jeder für sein Privatleben mächtig profitieren kann.“
Nach der Ausbildung und Hospitation bei erfahrenen Seelsorger:innen schließt sich eine mindestens zweijährige ehrenamtliche Mitarbeit an, währenddessen die Ehrenamtlichen die Möglichkeit haben, an weiteren Fortbildungen teilzunehmen. Warum sie sich damals entschlossen hat, dieses Ehrenamt anzutreten, erklärt Frau G. „Ich bin beruflich in einer Teilzeitstelle und als die Kinder aus dem Haus waren, hatte ich so das Gefühl, ich muss mich engagieren. Mit geht es gut, beruflich und familiär und ich dachte: ´Wenn es mir gut geht, dann würde ich das gerne auch zurückgeben´ und ich habe es bis heute nicht bereut.“
Derzeit bestehen die Teams aus unterschiedlichen Generationen – von der Studentin bis zum Rentner, von Anfang 20 bis über 80 Jahre. Interessenten, die sich eine Mitarbeit im Team der Telefonseelsorge vorstellen können, müssen keine psychologische Vorbildung haben. Wichtig sei ein Interesse an der ehrenamtlichen Arbeit. Die Ausbildung dauert insgesamt ein Jahr. Weitere Informationen erhalten Interessenten per Telefon unter: 0551/46543, per E‐Mail: ts.goettingen@evlka.de oder auf der
Internetseite: ts‐goe.wir‐e.de.
Foto: Frau G. arbeitet ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge Göttingen ©Jeanine Rudat
