Gegenrede: Kreuzberg on KulTour sieht CDU-Vorschlag zu einer „Offenen Bühne“ kritisch

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Mit dem gut gemeinten Vorschlag einer ‚Offenen Bühne‘ für die Kulturschaffenden stößt die CDU beim Kreuzberg on KulTour e.V. auf Kritik.
Zwar begrüßt der ehrenamtlich tätige Verein, dass es überhaupt Bemühungen seitens der Kommunalpolitik gibt, sich für die Kulturschaffenden einzusetzen, doch anscheinend hat sich im Vorfeld niemand aus der CDU die Mühe gemacht, mit wirklich Sachkundigen aus dem Veranstal- tungsbereich zu sprechen.

Schon der Titel „Offene Bühne“ ist leider irreführend, anderweitig besetzt und einfach am Thema vorbei. Gemeint sind von der CDU ja eigentlich Bühnen, die von verschiedenen Veranstaltern genutzt werden können, also „Gemeinschaftsbühnen“. Zudem muss unterschieden werden: Künstlern hilft jede bezahlte Auftrittsmöglichkeit. Den Spielstätten aber nur, wenn Konzerte in der Spielstätte selbst erfolgen, dort nämlich, wo die erforderliche Technik und weitere Logistik bereits vorgehalten wird und nur so Einnahmen aus Kartenverkauf und Gastronomie zusammen evtl. ein Plus ergeben können.

„Gemeinschaftsbühnen mögen evtl. im Klassikbereich, in welchem sowohl Tontechnik als auch Gastronomieeinnahmen eine eher untergeordnete Rolle spielen, hilfreich sein. Dort aber, wo es um die Rettung von „im täglichen Leben“ bespielten Lokalitäten geht, – und hierauf will der leider sehr verschwommen verfasste Antrag der CDU ja wohl abzielen -, nämlich im Rock/Pop-Bereich, kann nur eine unmittelbare oder mittelbare finanzielle Hilfe für die Lokalitäten etwas nützen“, so Klaus Wißmann, 1. Vorsitzender des Kreuzberg on KulTour e.V.

Zudem unterliegen die Antragsteller der leider immer noch weit verbreiteten aber völlig irrigen Annahme, dass allein mit Eintrittseinnahmen Konzerte lukrativ durchgeführt werden könnten. Dies ist weder im schon immer hochsubventionierten Klassikbereich der Fall, geschweige denn im Bereich der Clubkonzerte im Rock/Pop-Bereich, der in Göttingen erst seit gut einem Jahrzehnt und in vergleichsweise sehr geringem Umfang kommunal gefördert wird.

„Wir vom Kreuzberg on KulTour e.V. haben im Stadtgebiet Göttingens bis heute in 43 Lokalitäten veranstaltet und wissen daher sehr genau, wie viel mehr Arbeit und Kosten es bedeutet, in „fremder“ Lokalität zu veranstalten. Schon vor diesem Hintergrund ist der gut gemeinte Vorschlag leider abwegig und ist gerade für diejenigen, denen dringend geholfen werden muss, nämlich den Spielstätten, nicht hilfreich sondern eher kontraproduktiv“, so Wißmann

Gastronomieeinnahmen spielen eine zentrale Rolle für eine kostendeckende Durchführung von Konzerten und sind dringend erforderlich, um neben Fix-, Energie- und Lohnkosten die Gagen, Catering, Übernachtung und hohen Veranstaltungsnebenkosten für Steuern, GEMA, KSK sowie Logistik und tontechnischer Versorgung zu kompensieren. Auch werden die Räumlichkeiten sicherlich nicht komplett kostenlos zur Verfügung gestellt. Selbst wenn die Miete erlassen wird,

werden voraussichtlich immer noch Nebenkosten für Strom und Reinigung anfallen. Wie soll das alles bezahlt werden? Einige Betreiber sind zudem an Verträge mit Brauereien gebunden, die sie im Falle von Veranstaltungen erfüllen müssen. Ob bei Konzerten in Schulaulen, wie von der CDU vorgeschlagen, überhaupt ein dringend erforderlicher Getränkeverkauf möglich wäre und ob dieser dann mit ähnlichem wirtschaftlichen Erfolg wie sonst in den Lokalitäten selbst erfolgen könnte, ist zu bezweifeln. Auch sind die Touren von Musikern/Bands, die tatsächlich für den nötigen Ticketverkauf gesorgt hätten, für dieses Jahr abgesagt.

„Mit regionalen Musikern lassen sich leider schon lange Konzerte nicht mehr gewinnbringend veranstalten. Seit Jahren ist die Unterstützung und Förderung der Göttinger Musiker ein Verlust- geschäft für Veranstalter und kann nur dann funktionieren, wenn die Konzerte – wie in unserem Fall – ehrenamtlich durchgeführt werden, sie kommunal erheblich subventioniert werden oder eine Querfinanzierung durch erfolgreiche Konzerte größerer Bands stattfinden kann. Die Annahme dass Konzerte ausschließlich mit regionalen Bands in den Schulaulen durchgeführt werden könnten und trotzdem gewinnbringend sein sollen, ist abwegig“, so Wißmann.

Der Antrag ist aus Sicht des Kreuzberg on KulTour e.V. als Anregung grundsätzlich zu begrüßen, da er gut gemeint ist. Er kann aber mangels offenkundig fehlender Sachkenntnis nicht für mehr als einen initialen Dankanstoß dienen. Im besten Falle könnten Kulturkonsumenten und eventuell noch Künstler profitieren. Mitnichten können dadurch jedoch Spielstätten, wie z.B. das Exil, gerettet werden.

„Wir benötigen endlich eine gut durchdachte finanzielle Hilfe für privatwirtschaftliche Veranstalter und selbstständige Künstler seitens der Bundesregierung. Diese muss schnell und einfach ausge- zahlt werden, um die Betroffenen tatsächlich vor dem finanziellen Ruin zu bewahren. Die ‚Night of Light‘ hat bundesweite deutlich gezeigt, dass schon vor Monaten eine Alarmstufe Rot für die Veranstaltungsbranche herrschte. Die Situation ist seitdem nur schlimmer geworden und noch ist kein Ende in Sicht. Die Bundesregierung lässt entgegen vollmundiger Ankündigungen die Kultur- branche komplett im Stich und die Kommunen können nicht alles auffangen. Seit Jahren erleiden wir in Göttingen ein katastrophales Spielstättensterben, das seitens der Politik immer unterschätzt wurde und die wenigen verbliebenen Live-Clubs stehen nun auch vor dem Aus. Wenn nicht bald finanzielle Hilfe kommt, ist das der Sargnagel für unsere regionale Rock/Pop-Szene. Denn wie vielen Spielstätten kann staatlich tatsächlich nachhaltig geholfen werden? Und wer wird am Ende der Pandemie noch übrig sein?“ fragt Wißmann.

Die Diskussion des Antrags und dessen potentielle Umsetzung benötigen außerdem zu viel Zeit. Bis es zu einem Ergebnis kommt, kann für einige schon jede Hilfe zu spät sein. Im besten Fall setzen sich nach Meinung des Kreuzberg on KulTour e.V. Verwaltung, Politik und Veranstalter schnellst- möglich zusammen, um über praktikable Lösungen und Hilfen zu sprechen. Dies bietet der Kreuzberg on KulTour e.V. als erfahrener Veranstalter in nahezu allen Lokalitäten unserer Region schon im Zusammenhang mit dem katastrophalen Spielstättensterben vor Ausbruch der Pandemie seit Jahren an.

„Hätte sich die CDU wirklich mit dem Thema auseinander gesetzt bzw. Ahnung von der hiesigen Rock/Pop-Szene, hätte ihr auffallen müssen, dass es bereits eine „Offene Bühne“ gibt. Seit fast 15 Jahren veranstalten wir unsere Offene Bühne immer am zweiten Donnerstag im Monat – seit April virtuell. Die Namenswahl seitens der CDU beruht also entweder auf Unwissenheit oder soll eine Hommage an unsere jahrelange ehrenamtliche Arbeit zur Unterstützung der regionalen Musiker sein“, schmunzelt Wißmann abschließend.

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