Kreuzberg on KulTour fordert: Jetzt rechtzeitig für den Wiederaufbau der Kultur in Südniedersachsen planen

Kultur

Aufgrund der Corona-Pandemie liegt die Veranstaltungsbranche am Boden. Doch schon vorher hatten wir es in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit einem bundesweiten „Clubsterben“ zu tun. Auch unsere Region ist davon nicht verschont geblieben. Wir leiden hier in Göttingen konkret unter einem katastrophalen Sterben von privat betriebenen Spielstätten. Deren Zahl hatte sich allein im Stadtgebiet Göttingens von der Jahrtausendwende bis zum Ausbruch der Pandemie bereits etwa halbiert, ihre Besucherkapazität sogar etwa gedrittelt (Fakten und Daten zum Spielstättensterben in Göttingen 1/2019). Nun haben wir schließlich, aufgrund der Corona-Krise, Alarmstufe Rot erreicht!

„Musiker und andere Kulturschaffende, Veranstalter und Lokalitätenbetreiber stehen durch das monatelange de facto Berufsverbot vor dem finanziellen Ruin. Bundes- und Landesförderungen helfen bislang kaum und decken noch nicht einmal die laufenden Kosten. Die angewendeten „Ausschlusskriterien“ und Einschränkungen der Förderprogramme gehen dabei überwiegend an der Realität vorbei und bürokratische Hürden sind häufig viel zu hoch gesteckt“, kritisiert der 1. Vorsitzende Klaus Wißmann. „Die wirtschaftliche Not unmittelbar und schnell zu lindern, liegt vor allem in der Verantwortung der Bundes- und Landespolitiker.“

Was aber können wir selbst in unserer Region für den Wiederaufbau unserer Kulturwirtschaft tun?

Zum einen muss so bald wie möglich wieder veranstaltet werden. Schon aus Eigeninteresse sorgen die Spielstätten für die Einhaltung der zur Eindämmung der Pandemie erforderlichen, strengen Hygieneregeln. Eine der Auflagen ist, eine sehr starke Reduzierung der erlaubten Besucherzahlen. Deshalb werden noch auf längere Zeit kaum wirtschaftlich erfolgreiche Veranstaltungen möglich sein. Ein Neustart kann nur dann zeitnah gelingen, wenn Stadt und Landkreis weiter zielgerichtet und mit Augenmaß finanzielle Unterstützung leisten.

„Wir haben es in Südniedersachsen durch private Aktivitäten mit einer gut vernetzten Gemeinschaft von Künstlern aber auch Spielstättenbertreibern und Veranstaltern zu tun. Hierzu leistet das Musikerselbsthilfeportal www.musikerfuermusiker.de des Kreuzberg on KulTour e.V. seit 2014 einen wertvollen und unverzichtbar gewordenen Beitrag. Über diese Vernetzung und das kollegiale Zusammenrücken der Künstler in der Notzeit war es möglich, einen alternativen Kulturbetrieb auch in Lockdown-Zeiten aufrecht zu erhalten: So wurden diverse nur durch Spenden finanzierte Stream-Konzerte durchgeführt. Auch die monatliche Offene Bühne des Kreuzberg on KulTour e.V. zog einstweilen ins Internet um und konnte von April bis heute immerhin 154 Künstlern Südniedersachsens mit knapp 24 Stunden Videoübertragungen und 4.156 Zuschauern eine neue Interimsheimat bieten (www.youtube.com/KreuzbergonKulTour), so Wißmann weiter.

Ziel des Kulturfördervereins ist es, die Motivation der Künstler auch in dieser Notzeit zu erhalten, indem sie sich in Zeiten ohne Live-Auftritte dennoch ihrem Publikum präsentieren können und so trotzdem ein Ziel vor Augen haben. Positiver Nebeneffekt ist, dass die bereits bestehende Community vergrößert und die gegenseitige Unterstützung und der Zusammenhalt erheblich verstärkt wurde.

Diese Synergien gilt es auch beim Wiederaufbau der Kultur zu unterstützen und zu nutzen. So ist in Planung, baldmöglichst mit Künstlern der (Online) Offenen Bühnen in Südniedersachsen „auf Tour zu gehen“ und an mehreren Orten unserer Region gemeinschaftliche Konzertabende auszurichten. Dies wird keineswegs finanziell selbsttragend möglich werden und bedarf öffentlicher Unterstützung.

Ein wesentlicher Faktor für den Wiederaufbau und die Stärkung der regionalen Kulturlandschaft ist, dass nicht nur intern eine Vernetzung ausgebaut wird – z.B über das Selbsthilfeportal www.musikerfuermusiker.de – sondern das vielfältige Kulturprogramm auch sichtbar gemacht wird. Dadurch werden potentielle Touristen in unsere Region gelockt, für die auch das Kulturangebot ein entscheidender Faktor bei der Wahl ihres Urlaubsziels ist, aber auch die kurzentschlossenen Einheimischen, die wissen möchten was man z.B. am Samstagabend in Südniedersachsen unternehmen kann.

Althergebrachte Werbemaßnahmen sind sehr kostenintensiv und erreichen offenbar das potentielle Publikum schon im nahen Umfeld der Veranstaltungslokalitäten nicht mehr. Hinweise auf Veranstaltungen sind online bislang für Südniedersachsen nur verstreut über soziale Medien und einzelne Webseiten von Kulturakteuren zu finden. In anderen Regionen ist es selbstverständlich alle kulturellen Angebote kostengünstig und zeitgemäß im Internet gebündelt anzubieten, so dass nicht nur Einheimischen, sondern auch Auswärtigen das Kulturprogramm zugänglich gemacht werden kann.

Es fehlt ein gemeinschaftlicher, digitaler Veranstaltungskalender für unsere gesamte Region, der online schnell zu finden ist und alle Kultursparten übersichtlich abbildet. Ein solch aktiv und ständig gepflegter Kalender wäre mittel- bis langfristig ein exzellentes Werkzeug, um den Tourismus in unsere Region zu stärken. Zusätzlich könnte er eine sinnvolle Soforthilfe beim Wiederaufbau bzw. dem Neustart der Kultur sein. Damit dies gelingen kann, ist eine schnelle Umsetzung unbedingt notwendig.

„Neben finanzieller Unterstützung für den Neustart braucht unsere Region Ideen und Initiativen für den Wiederaufbau. Die Kulturbranche braucht die Mithilfe aller Bürger, die Angebote auch wahrzunehmen und deshalb müssen die vielfältigen Angebote leichter zugänglich und übersichtlich gebündelt findbar werden“, appelliert Wißmann.

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