documenta fifteen Ausgabe der Weltkunstausstellung endet

documenta 15

Am Sonntag ist die 15. Ausgabe der weltweit bedeutendsten Ausstellung für moderne Kunst, die documenta in Kassel, zu Ende gegangen. Nach 100 Tagen „documenta fifteen“ zieht Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle ein gemischtes Fazit.
„Der besondere Zauber einer jeden documenta, der auch diesen Sommer wieder für ein besonderes Flair und eine internationale Atmosphäre in unserer Stadt gesorgt hat, wurde diesmal leider getrübt.“ 
Fachpresse und Besucher begeisterten sich an vielfältigen Kunstwerken und Ideen zu Nachhaltigkeit und sozialem Miteinander. Das Bild der Reisscheune „Lumbung“ durch das indonesische Kuratorenkollektiv ruangrupa lieferte wichtige Inspirationen und regte zum Nachdenken über das globale System an, sagte Geselle. Viele inhaltlich spannende Netzwerke mit lokalen Akteuren seien von internationalen Künstlerkollektiven geknüpft worden und werden weit über das Ende der Ausstellung nachwirken. Wichtige Fragen und Probleme unserer Zeit wurden von den gut 1500 beteiligten Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt mit Schwerpunkt auf postkoloniale Staaten angesprochen.
Am letzten Ausstellungstag der documenta fifteen richtete Geselle seinen Dank an die vielen hunderttausend Gäste, die mit ihrem Besuch die Bedeutung der documenta unterstrichen und der Stadt ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben. Mitarbeitende und Beteiligte, die an dieser documenta fifteen vor und hinter den Kulissen mitwirkten, hätten Großartiges geleistet. Dies gelte dies auch für Sicherheitsbehörden und Rettungskräfte. „Wir dürfen nicht vergessen, dass der Löwenanteil der Planungen in der Hochphase der Corona-Pandemie geleistet werden musste – ohne zu wissen, ob wir die Ausstellungsorte wie gewohnt für Besucherinnen und Besucher öffnen können“, erinnerte Geselle an die besonderen Herausforderungen schon bei der Organisation.

Antisemitismus-Debatte erschütterte Ausstellung

Überschattet wurde die erstmals von einem Künstlerkollektiv kuratierte Weltkunstausstellung durch eine anhaltende Antisemitismus-Debatte: Einzelne Kunstwerke verletzten durch mangelnde Einordnung Gefühle, verhinderten Dialog und verhärteten Fronten. Mitunter scharf geführte Diskussionen kosteten vielen Beteiligten eine Menge Kraft, sagte der Oberbürgermeister rückblickend. 
Ruangrupa als künstlerische Leitung der documenta fifteen müsse sich vorwerfen lassen, ihrer kuratorischen Verantwortung in dieser Debatte nicht nachgekommen zu sein und einen offenen Dialog mit Kritikern gescheut zu haben, sagte Kassels Oberbürgermeister. Für die beispielsweise ausgesetzte Gesprächsreihe „We need to talk“ müsse dringend eine neue Basis geschaffen werden, erklärte Geselle. „Ziel muss sein, eine kulturpolitische Debatte einzuleiten und Gespräche wiederaufzunehmen. Es gilt, auf Augenhöhe zu diskutieren und dabei wieder Maß und Mitte zu finden.“ 
Zudem haben die Kuratoren die Möglichkeit einer Kontextualisierung umstrittener Werke zu leichtfertig abgetan. Geselle: „Das hat mich enttäuscht.“ Eine von den documenta-Gesellschaftern einberufene fachwissenschaftliche Begleitung hatte dies nachdrücklich empfohlen. Geselle bekräftigte seine Haltung zur Freiheit der Kunst als wichtigem Grundrecht: „Politik darf nie inhaltlich eingreifen. Das wäre eine Zäsur – und damit wäre auch die von Arnold Bode entwickelte Idee einer documenta gescheitert. Das darf nie passieren.“ 
Gleichzeitig bedauerte Geselle, dass viele Bilder und Schlagzeilen, die über die documenta und Kassel gezeichnet wurden, negativ haften blieben. Einige Medienberichte und Äußerungen seien leider völlig überzogen gewesen. Geselle: „Ich hätte mir gewünscht, dass man sich vor Ort selbst ein Bild gemacht hätte, statt aus der Ferne zu urteilen.“

Foto: ©Radio Leinewelle (ue)